NEWtrient® – Center-Standorte einer neuen Lebensmittelproduktion
Qualität und Nachhaltigkeit der Ernährung stehen vermehrt im Fokus. Was in landwirtschaftlich geprägten Regionen noch relativ einfach umzusetzen ist, gestaltet sich in den Städten jedoch weitaus schwieriger. Darüber hinaus besteht eine zentrale Zukunftsfrage, wie Ertragssteigerungen in der Agrarwirtschaft bei endlichen Phosphatressourcen, hohem Energieaufwand bei der Düngemittelproduktion und der Verschmutzung von Gewässern und Böden durch Phosphor und Stickstoff künftig möglich sein werden. Ein Team unter Koordination des Fraunhofer-Instituts für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik UMSICHT will dieses Problem nun lösen und entwickelt im Rahmen des BMBF-Verbundprojekts SUSKULT ein neuartiges Agrarsystem. Das Besondere dabei ist der Standort: das Agrarsystem wird an städtische Kläranlagen angedockt.
Doch warum gerade Kläranlagen? Hierzu lohnt sich ein Blick auf die Komponenten, die für eine Pflanzenkultivierung benötigt werden: Für den geschlossenen Anbau von gartenbaulichen Produkten, z. B. in Gewächshäusern, sind das im wesentlichen Nährstoffe (Dünger), CO2, Wärme und Wasser. All diese Ressourcen sind auf Kläranlagen zu finden. Hinzu kommt der Standortvorteil. Zunächst am Stadtrand gebaut, sind Kläranlagen mittlerweile – bedingt durch das Wachstum der Städte und Metropolregionen – häufig zentrumsnah verortet.
Die Agrarwirtschaft in die Stadt bringen
Die Idee, Ressourcen aus Kläranlagen im Sinne der Kreislaufführung zu nutzen, ist nicht neu. So gibt es bereits Verfahren, die Phosphor aus Schlamm und Asche in Kläranlagen – teils unter erhöhtem Energieeinsatz – rückgewinnen, um ihn in Form von Dünger oder Futterzusatz in die Agrarwirtschaft zu bringen. Allerdings wird Phosphor dabei aus der Stadt in agrarwirtschaftlich geprägte Regionen transportiert, von wo aus später dann Obst und Gemüse wieder zurückgebracht werden. Um eine agrarwirtschaftliche Produktion direkt an Kläranlagen andocken zu können, entwickelt ein interdisziplinäres Konsortium im Rahmen von SUSKULT ein entsprechendes Bausteinsystem. Ein wesentlicher Ansatz in dem Projekt besteht in der Gewinnung der Nährstoffkomponenten in flüssiger Phase. Die Nährstoffe liegen so pflanzenverfügbar vor und müssen nicht über den energieintensiven Verbrennungsprozess zurückgewonnen werden. Phosphor, der in der festen Phase vorliegt, kann nur durch Rücklösung wiedergewonnen werden. In vielen Verfahren zum P-Recycling werden Phosphor und Stickstoff als Mineral (z.B. MAP oder Struvit) ausgefällt, das vor seinem Einsatz als Dünger wieder aufgelöst werden muss. Darauf kann man bei der direkten Erzeugung von Flüssigdünger verzichten. Für die hydroponische Kultivierung vieler gartenbaulicher Produkte ein entscheidender Vorteil. Unter anderem soll das Trübwasser aus der Faulschlammentwässerung verwendet werden. Das Trübwasser ist stark ammoniumhaltig und wird heute in der Regel in die biologische Reinigungsstufe zurückgeführt. Gelingt der SUSKULT-Aufbereitungsschritt, könnte die biologische Reinigung der Kläranalage erheblich entlastet werden. Um große Teile des Phosphors zurückzugewinnen, werden verschiedene Verfahrensvarianten geprüft, unter anderem auch die biologische Phosphorelemination. Deren Vorteil ist es, dass der Nährstoff angereichert werden kann und typische Fällungsverfahren mit deutlich reduziertem Fällmitteleinsatz zum Einsatz kommen können.
NEWtrient®-Center
Insgesamt 15 Partner arbeiten bei SUSKULT in vier Teilprojekten an dem Vorhaben. Die Arbeitspakete beinhalten neben der Weiterentwicklung der Kläranlagen zu sogenannten NEWtrient®-Centern und der Entwicklung einer Aufbereitungstechnik eine angepasste Nahrungsmittelproduktion in geschlossenen Kultursystemen und die dazugehörige Umfeld- und Systemanalyse. Um möglichen Schwankungen in Menge und Konzentrationen im Abwassersystem möglichst frühzeitig begegnen zu können, sind auch eine intelligente Prozesssteuerung und entsprechende Vorhersagemodelle im Projektplan verankert. Die Vision hinter SUSKULT ist, dass 2050 keine Kläranlagen mehr im Sinne einer Entsorgungsanlage existieren, sondern NEWtrient®-Center. Ressourcenströme, die sämtliche Nährstoffe in Städten umfassen, können hier gehandelt werden.
Auf dem Weg zum Agrarsystem der Zukunft nach der SUSKULT-Vision ab dem Jahr 2050 gibt es eine Vielzahl an Herausforderungen. Nicht nur die technischen Ziele stehen im Fokus, bereits jetzt müssen die normativen Grundlagen erarbeitet und möglichst viele Stakeholder in den Entwicklungsprozess eingebunden werden. Direkt am Projekt beteiligt sind auch die Partner Metro AG und REWE Markt GmbH, hinzu kommen zahlreiche Interessensvertreter im Projektbeirat. Weite Teile der Zivilgesellschaft sind im Rahmen von Dialogprozessen involviert. Gemeinsam betrachten sie auch den zukünftigen Weg der Produkte zu den Kunden.
Mehrere Tonnen Gemüse pro Jahr
In den ersten drei Jahren legen die Forschenden den Grundstock für das neue Agrarsystem. Im Anschluss, ab 2022, soll dann eine Demonstrationsanlage auf dem Gelände des Klärwerks Emschermündung an der Stadtgrenze zwischen Dinslaken, Oberhausen und Duisburg aufgebaut werden. Das Ziel ist ehrgeizig, nach einer Phase der Optimierung der einzelnen Komponenten sollen vor Ort pro Jahr mehrere Tonnen Gemüse produziert werden.
SUSKULT: die Partner
Unter der Koordination vom Fraunhofer UMSICHT arbeiten 15 Partner in den vier Teilprojekten »TP1 NEWtrient®-Center«, »TP2 NEWtrient®-Aufbereitungssystem«, »TP3 Nahrungsmittelproduktion« und »TP4 Umfeld- und Systemanalyse« zusammen:
Fraunhofer UMSICHT (Verbundkoordinator)
Blue Foot Membranes GmbH
Deutsches Forschungszentrum für künstliche Intelligenz GmbH – DFKI
Emschergenossenschaft K. ö. R
Helmholtz Zentrum für Umwelt-forschung GmbH – UFZ
Hochschule Osnabrück
ILS-Institut für Landes- und Stadtentwicklungsforschung
Justus-Liebig-Universität Gießen
NX-Food GmbH
Montanuniversität Leoben
PACELUM GmbH
Rewe Markt GmbH
Ruhrverband
TU Kaiserslautern
Yara GmbH & Co. KG
Projektbeirat
Deutsche Phosphor-Plattform DPP e.V.
Regierungspräsidium Gießen, Dezernat 41.3 »Kommunales Abwasser, Gewässergüte«
Landesarbeitsgemeinschaft Agenda 21 NRW e.V.
Landwirtschaftskammer NRW
Agrobusiness Niederrhein e.V.
Innovation City Ruhr GmbH
Förderhinweis
Das Projekt »SUSKULT – Entwicklung eines nachhaltigen Kultivierungssystems für Nahrungsmittel resilienter Metropolregionen« (FKZ 031B0728) wird im Rahmen der Fördermaßnahme »Agrarsysteme der Zukunft« im Rahmen der »Nationalen Forschungsstrategie BioÖkonomie 2030« der Bundesregierung durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert.
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